Am Samstag den 10.07.2021 findet nach langer Zeit wieder ein Spaziergang der Oststadt Nachbarschaft statt.
Treffpunkt ist der Brunnen vor dem Hauptfriedhof um 11 Uhr.
A: Wir starten den Rundgang vor dem Haupteingang des Karlsruher Hauptfriedhofes. Ganz nach der Vorstellung des Architekten Josef Durm ist die breite Auffahrt noch heute von den beiden steinsichtigen Verwaltungsgebäuden flankiert. Den zentralen Mittelpunkt bildet seit 2019 der historische Brunnen des Architekten Carl Ratzel. Sein ursprünglicher Standort war einst der Vorplatz des Landesgewerbeamts, in dessen Hinterhof er in den letzten Jahrzehnten im Dornröschenschlaf untergebracht war.
Eine kleine Infotafel auf der rechten Seite berichtet Weiteres zu seiner Geschichte.
B: Nachdem wir durch das große schmiedeeiserne Tor den Campo Santo betreten haben, stehen wir im inneren Eingangsbereich. Auch dieses Gebäudeensemble geht zurück auf den Architekten Josef Durm. Er plante den mit 97 Grüften eingefassten Ehrenhof im Stil der Renaissance. Direkt vor uns erhebt sich die beeindruckende Fassade der Großen Kapelle, die sich in ihrer Gestaltung an die kleine Kirche San Bernardino in Perugia anlehnt. Ihr Inneres wurde nach dem Zweiten Weltkrieg mehrfach erneuert und restauriert und er strahlt heute annähernd im alten Glanz.
C: Der linke Torbogen führt uns in das eigentliche Friedhofsareal. Ganz im Sinne der englischen Gartengestaltung schuf Josef Durm eine parkähnliche Anlage mit gewundenen Wegen, die zum Spazieren und Gedenken anregen sollten. Zur leichteren Orientierung tragen heute sechs Hauptwege die Namen historischer Persönlichkeiten, die innerhalb des Friedhofsareals beigesetzt wurden. Wir befinden uns hier auf dem Wilhelm-Lauter-Weg. Wilhelm Lauter, ehemaliger Oberbürgermeister der Stadt Karlsruhe, dessen Grab sich auch gleich zu Beginn des Weges befindet, wurde maßgeblich durch die Anlage eines künstlich aufgeschütteten Wasserreservoirs im heutigen zoologischen Stadtgarten bekannt. Doch nur wenige Schritte weiter befindet sich das Grab einer anderen Karlsruher Persönlichkeit, deren Bedeutung erst nach seinem Tod für die Gesellschaft ersichtlich wurde. Dort befindet sich die Gedenkstätte keines Geringeren als des Erfinders der Draisine, dem Vorläufer des heutigen Fahrrades, Karl Drais.
D: Ein weiteres Ehrengrab befindet sich an der Spitze des Gräberfelds 9. Hier wurde der ehemalige Oberbürgermeister Günther Klotz beigesetzt. Seine Grabstätte ist mit einem markanten Gedenkstein in Form des Karlsruher Stadtgrundrisses gestaltet, den er maßgeblich in den 1960er Jahren nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges wiederaufleben ließ.
E: Wir verlassen den Wilhelm Lauter-Weg und biegen nach rechts auf den Seitenweg zwischen die Felder 10 und 12. Noch bevor wir auf den Karl-Egler-Weg stoßen, erkennen wir zu unserer linken einen Kinderspielplatz. Natürlich können in dieser Anlage auch kleine Kinder schaukeln, wippen oder einfach im Sandkasten spielen. Doch tatsächlich sind die sogenannten „Kinderwelten“ hier unter dem Schutz der Bäume, inmitten der Friedhofsanlage gestaltet worden, um mit trauernden Kindern ihre Erlebnisse haptisch zu verarbeiten. So ist dieser Spielplatz auch in zwei Bereiche geteilt: der „heilen Welt“, in der sich, wie auf jedem anderen Spielplatz, Kinder Vergnügen können und, erreichbar über eine hölzerne Brücke, die „Welt der Trauer“, die symbolisch die Veränderungen im Leben eines Kindes, das einen wichtigen Menschen verloren hat, widerspiegelt.
F: Direkt gegenüber im Feld 15 A befindet sich der „Lebensgarten“. Eine Entsprechung, wenn man so möchte, zu den Kinderwelten für die Erwachsenen. Hier können Menschen auf einem symbolischen Trauerweg dem Gefühl des Verlusts nachgehen; das gilt natürlich nicht nur für den akut Betroffenen, sondern für jeden der sich mit diesem Thema beschäftigen möchte.
G: Wer sich am Ende des Lebensgartens am Drehkreuz für den Ausgang entscheidet und wieder auf den Hauptweg, das heißt dem Carl Egler-Weg, zurückkehrt, kommt schon ein paar Schritte weiter zum Feld 24, dem Letzten Garten. Diese gesamtgärtnerische Anlage entstand 2003 und ist das erste Feld mit parkähnlichen Begräbnisstätten, der in den kommenden Jahren andere mit verschiedenen Themen folgen sollten. Ausgangspunkt ist hierbei der Wunsch vieler Bürgerinnen und Bürger nach einer Grabstätte, die ihren Angehörigen in den kommenden Jahren keine Mühe bereiten und dennoch gepflegt und achtsam erscheinen soll. So entstand in diesem freien Areal ein eigenständiger kleiner Park mit einem Wasserfall, Ruhebänken und kleinen Grabfeldern mit der Anlage entsprechenden schlichten Sandstein-Grabzeichen. Der Künstler Lothar Rumold entwarf zudem das Konzept einer halb anonymen Begräbnisstätte auf der großen Rasenfläche. Dort entstanden Urnenreihengräber ohne Grabzeichen, wobei die Namen der Verstorbenen in zwei flankierenden Baumstämmen eingraviert sind und für die Ruhezeit von 20 Jahren die Erinnerungen an die Verstorbenen lebendig halten.
H: Verlässt man den „Letzten Garten“ über den Seitenweg zum Feld 23, der Ergänzung des Areals, gelangt man weiter an die Rintheimer Mauer. In dem dahinterliegenden, zum beginnenden 20. Jahrhundert entstandenen Areal befindet sich ein paar Schritte weiter das sogenannte Bürklinsche Mausoleum.
Albert Bürklin sen., Mitte des 19. Jahrhunderts ein angesehener Bürger der Stadt und Geheimer Rat des Großherzogs, fand hier nach dem Wunsch seines gleichnamigen Sohnes seine letzte Ruhestätte. Der Architekt und Planer der ursprünglichen ersten Friedhofsanlage, Josef Durm, war auch der Baumeister dieses Gebäudes. Angeregt durch seine vielfältigen Italienreisen, brachte er die Idee einer Familiengrabstätte in Form eines Mausoleums mit Andachtsraum im oberen Bereich und Grablege im Gewölbekeller mit nach Karlsruhe. Nachdem 1963 die Familie Bürklin die Stadt Karlsruhe jedoch verlassen und in der benachbarten Pfalz, in Wachenheim, eine neue Heimat gefunden hatte, überließ sie dieses Gebäude der Stadt zur weiteren Nutzung. 1985 entschied sich das Friedhofs- und Bestattungsamt für einen Umbau als Kolumbarium. So befinden sich heute in den über hundertjährigen alten Mauern zahlreiche Grabnischen Karlsruher Bürger.
I: Durch die Parterreanlage hindurch, bereits in der Blickachse eines Besuchers, befindet sich die kleine Kapelle. Dieses Gebäude wurde ursprünglich 1904 durch den Architekten August Stürzenacker als das erste Krematorium der Stadt errichtet. Nach und nach wurden seit 1878 in verschiedenen deutschen Städten durch die Unterstützung der sogenannten Feuerbestattungsvereine Krematorien auf Friedhöfen erbaut. Nach Heidelberg entstand hier in Karlsruhe erst das zweite Krematorium in Baden. Stürzenacker war jedoch der Erste, der stilistisch das Gebäude nicht an den griechischen Vorbildern orientierte, sondern ihm das Aussehen einer kleinen romanischen Kapelle gab. Zunächst löste im Karlsruher Bürgertum diese Verbindung eines heidnischen Brauchs mit einem christlichen Gemäuer durchaus Entsetzen aus, doch als in den 1960er Jahren auch die katholische Kirche ihren Segen zur Beisetzung als Feuerbestattung gab, begannen die Zahlen der in dieser Form bestatteten Verstorbenen sprunghaft anzusteigen. Nachdem 1998 das Bauwerk schließlich in die Jahre gekommen und die Technik veraltet war, errichtete man auf der nordwestlichen Seite des Friedhofes eine neue moderne Anlage. 2001 entschied sich die Stadt daraufhin für einen aufwendigen Umbau des historischen alten Krematoriums, rekonstruierte den oberen Bereich weitestgehend nach dem originalen Zustand und schuf in den Kellergewölben lichtdurchflutete Auffahrungsplätze, so dass das Gebäude als kleine Kapelle, Aussegnungsort, einen neuen Nutzen erhielt.
K: Auf der Rückseite der kleinen Kapelle, unterhalb der beiden Terrassenwege, befindet sich die Gedenkstätte der Kriegsopfer des Ersten Weltkrieges. Schon ab 1915 hielt man auf der großen Freifläche in den kalten trüben Novembertagen kleine Veranstaltungen ab, die an die gefallenen Soldaten erinnern sollten. 1919 entschloss man sich daher, auch gerade an diesem Ort eine Skulptur zum Gedenken derer zu errichten. Wettbewerbsgewinner war der Karlsruher Bildhauer Hermann Binz. Zusammen mit dem Architekten Hermann Billing entwarf er eine große offene Anlage, umrahmt von weißen Bänken, in deren Zentrum sich ein Jüngling mit hoch erhobenem Arm über die Vegetation hinaus im Sinnbild über den Krieg hinaus erheben sollte. Diskussionen über seine geplante Nacktheit im Karlsruher Gemeinderat sorgten jedoch für eine Verzögerung der Realisierung bis 1932.
L: Unweit der Soldatengräber des Ersten Weltkrieges befindet sich ein weiteres Ehrenfeld für die Fliegeropfer jener Zeit. Besonders der 22. Juni 1916 wird dabei immer in Erinnerung bleiben. An diesem Tag erlebte Karlsruhe einen seiner schrecklichsten Luftangriffe der Geschichte. An diesem Fronleichnamstag waren auf dem damaligen Karlsruher Festplatz Veranstaltungen des dort gastierenden Zirkus Hagenbeck geplant. Viele Familien, allen voran Kinder, strömten am Nachmittag dieses warmen Frühsommertages dorthin. Während des folgenden Angriffs starben überwiegend Kinder, die an dem fröhlichen Treiben teilhaben wollten. Selbst die Großherzogin kam zur feierlichen Grablege der Karlsruher Opfer. Zu deren Gedenken schuf der Bildhauer Gerhard Karl Huber 1992 eine sandsteinerne Säule als markantes Zeichen für diese Anlage.
M: Nur ein paar Schritte weiter finden sich auch die ersten Opferstätten des Zweiten Weltkrieges. Am Ausgang der südlichen Parterreanlage liegt die heutige Grabstätte Ludwig Marums. Er wurde als einer der ersten 1933 aus Karlsruhe deportiert und in einem Gefangenenlager getötet. Die Asche mit seiner Urne ließ seine Tochter am 50. Todestag hier an dieser ursprünglichen Gedenkstätte beisetzen.
N: Entlang des Toni-Menzinger-Weges, an der Kreuzung zum Marie-Curiel-Weg befindet sich das Gedenkfeld der Euthanasieopfer. Jener Menschen, die ebenfalls durch die Grausamkeit der Nationalsozialisten getötet wurden. Um die Erinnerungen an diese Gräueltaten wach zu halten, den Schicksalen der einzelnen Menschen Rechnung zu tragen, findet sich hier auf dem Hauptfriedhof dieses Feld mit Bänken zum Verweilen und Erinnern.
O: Den Weg weiter, erreicht man noch vor der kleinen halbkreisförmigen Anlage die Grabstätte einer der vielzähligen historischen Persönlichkeiten unserer Stadt, die hier auf dem Hauptfriedhof ihre letzte Ruhe gefunden haben. Es handelt sich um die Grabstätte des Malers Hans Thoma. Der gebürtige Bernauer, der in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts an die Akademie der Bildenden Künste nach Karlsruhe kam, entwickelte um die Jahrhundertwende mit seinen eigenen Ansichten und seinem eigenen Stil ein besonderes Augenmerk auf die künstlerische Entwicklung der Stadt.
P: Nun führt uns der kleine Spaziergang schon langsam wieder Richtung Ausgang. Von der Grabstätte Hans Thomas links die Rintheimer Mauer entlang erreichen wir den Marie-Curiel-Weg und begeben uns an die große Kreuzung, an der sich nicht nur das Landschaftsgräberfeld des Kerzenhain, die Grabstätte der künstlerisch tätigen Brüder Egler und das Kunstobjekt von Jochen Gerz befindet, sondern auch das erste Sternenkinderfeld unserer Stadt. Hier können seit Beginn des Jahrtausends Familien, die den Verlust eines totgeborenen Kindes beklagen, ihm eine letzte Ruhestätte geben. Die zahllosen bunten Fähnchen, Spielzeuge und mitgebrachten Plüschtierchen erzählen von der Bedeutung für jede Familie einen solchen Platz zu haben. Einmal im Jahr veranstaltet das InfoCenter zusammen mit der Elterninitiative der Gruppe Regenbogen den sogenannten „Worldwide Candle Lighting Day“. Am zweiten Sonntag im Dezember erleuchten von der großen Kapelle des Friedhofes hierher den Angehörigen und all jenen, die sich erinnern möchten, kleine Lampen den Weg.
Q: Kurz bevor wir den Friedhof wieder verlassen und über den Campo Santo nach draußen von der Stille des Ortes in die bewegte, hektische Welt zurückkehren, findet sich an der Außenwand der großen Kapelle das älteste Grabmal unserer Stadt. Christoph Friedrich Stadelmann, einst Erzieher der markgräflichen Prinzen, wurde zunächst auf dem ersten Gottesacker, dem heutigen Areal des Marktplatzes, beigesetzt. Nach dessen Einebnung verbrachte man seine Gebeine samt Grabzeichen auf den heutigen alten Friedhof an der Kapellenstraße. Als schließlich jedoch auch dieser um die Jahrhundertwende immer mehr der Stadtentwicklung weichen musste, fand das ehrwürdige Grabzeichen und sein Besitzer hier eine hoffentlich letzte Ruhestätte und erinnert somit an die Vielfältigkeit der Karlsruher Stadtgeschichte, die sich hier auf diesem Friedhof finden lässt.
Der Spaziergang wurde ausgearbeitet von Simone Maria Dietz M.A.
Die folgende Würdigung des Ehrenfeldes für die Karlsruher Euthanasie-Opfer
stammt von Dr. Maria Rave-Schwank:
N: Das Ehrenfeld B2 auf dem Hauptfriedhof-ein wichtiger Ort, nicht nur für mich.
Wer vom Haupteingang des Karlsruher Hauptfriedhofes durch den Campo Santo geht und dem Hinweis-Schild „Kleine Kapelle“ folgt, kommt über den Marie-Curjel-Weg nach etwa 5 Min. zum Ehrenfeld B2.
Dort erinnert das große „Tor der Schmerzen“, eine Skulptur von Carl Egler, an die Karlsruher Psychiatrie-Patienten und Behinderten, die während der Naziherrschaft ermordet wurden. In Deutschland wurden zwischen 1939 und 1945 230 000 Menschen ermordet, weil sie als „Ballastexistenzen“ definiert wurden.
Wie kam das Ehrenfeld zustande?
Am 7. April 1964 berichtete die Badische Volkszeitung: “durch einen Offenlagebeschluß erteilte der Gemeinderat dieser Tage dem Karlsruher Bildhauer Carl Egler den Auftrag zur Ausführung eines Mahnmals für das Ehrenfeld der „Euthanasie“-Opfer auf dem Hauptfriedhof, nachdem sich eine Wettbewerbskommission hierfür ausgesprochen hat“. 1965 war schließlich klar, dass nach dem „Gräbergesetz“ („Gesetz über die Erhaltung der Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“) auch die Urnen der „Euthanasie“-Opfer ein „ewiges Ruherecht“ auf ihrem Heimatfriedhof haben, und wie die andern Opfergruppen aus öffentlichen Mitteln gepflegt werden. Entsprechend einer „Kriegsgräberliste 1963“ wurden die Angehörigen informiert und die Urnen der Toten auf dem Ehrenfeld zusammengeführt. Einige Angehörige wollten die Urnen auf ihren Familiengräbern behalten, viele Urnen wurden gar nicht angefordert, weil es für die Hinterbliebenen nicht einfach war, „ihre“ Urne rechtzeitig anzufordern.- Auf der großen Tafel des Ehrenfeldes B2 ist unten die Zahl von 289 Ermordeten angegeben, die inzwischen überholt ist. Auf dem Feld liegen weit weniger Urnen, als es Karlsruher Opfer gab. Wir haben in unserem Buch 372 Karlsruher Opfer mit Namen benannt. Sie stammen aus der Zeit der zentral aus Berlin organisierten T4 Aktion, die im August 1941 endete. Inzwischen wissen wir, daß in der „dezentralen Phase“, also 1941 -1945, zusätzlich etwa ebenso viele Menschen umgebracht wurden, allerdings dann nicht durch Gas, sondern durch Überdosierung von Medikamenten, grobe Vernachlässigung bei körperlichen Krankheiten und Verhungern-lassen sowie tödlich verlaufende Experimente. Die Namen der Karlsruher Bürger aus dieser 2. „Dezentralen Phase“ sind bisher nur teilweise bekannt.
Was ist mit den Karlsruher Opfern geschehen?
Eine Arbeitsgruppe der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie (DGSP) hat seit 2012 die Karlsruher Opfer gesucht. 2020 wurden 372 Karlsruher mit ihrem Namen veröffentlicht im Buch: „Gegen die Macht des Vergessens“. Dabei zeigt sich beim Vergleich der sogenannten Kriegsgräberliste 1963 mit den Dokumenten aus Grafeneck und Hadamar, dass Todesart, Todesdatum und Todesort häufig gefälscht waren. Dieser Betrug mit fernabgelegenen Todesorten wie zB. Hartheim bei Linz und Brandenburg, sollte die Familien davon abgehalten, nach ihren Angehörigen zu suchen. Und vor allem sollten diese Täuschungsmanöver verhindern, dass Misstrauen aufkam über die vielen unerwarteten Todesfälle in den Heil-und Pflegeanstalten.
Was ist uns heute wichtig und warum?
Inzwischen wurden 4 Gedenkveranstaltungen auf dem Ehrenfeld von der DGSP- Gruppe mit Unterstützung der Stadt Karlsruhe durchgeführt. Das März-Datum des Gedenkens erinnert an den 1. Transport Karlsruher Patienten am 29.2.1940 aus Wiesloch. Auch die Stolpersteine für Karlsruher Euthanasie-Opfer erinnern an die Verbrechen. Ein Stolperstein vor der Humboldstraße 28 erinnert heute an Sofie Hahn, eine Büroangestellte der Stadt Karlsruhe, die als seelisch Kranke 1935 zwangssterilisiert und 1940 in Grafeneck vergast wurde. Auch die Urne von Sofie Hahn ist namenlos unter dem Rasen des Ehrenfeldes auf Platz 121 bestattet. Die Urne kam angeblich aus Hartheim. Sofie Hahn war nie in Hartheim gewesen. Die Familie wurde über Todesursache, Todesort und Todesdatum belogen.
Die Familien der Toten erfuhren erst langsam und viel später von diesem Betrug. Außerdem wurden sie im Bundesentschädigungsgesetz von 1956 nicht wie die andern NS-Opfer entschädigt .Und: Die Täter der Nationalsozialistischen Verbrechen kamen teilweise wieder in leitende Positionen in der Psychiatrie. Das alles hat sich eingegraben in die Erinnerung der Familien und wirkt auch heute noch nach. Und wegen dieser Täuschungen, Missachtungen und Entwertungen wurde in den Familien lange über die Toten geschwiegen.
Die Veranstaltung am 6.3. 21 hat gezeigt, dass viele, auch junge Menschen und unser Oberbürgermeister deutlich „Nie wieder“ sagen zu den ungeheuerlichen Verbrechen von damals. Die Stigmatisierung und Entwertung von seelisch Kranken, Behinderten und Menschen mit ungewöhnlichem, andersartigem Verhalten wollen wir im Alltag vermindern. Auf dem Ehrenfeld B2, so hoffen wir erstens, können Betroffene sich an einem Ort der Stille erinnern und vielleicht auch andere Angehörige treffen. Dazu wurden 5 neue Bänke aufgestellt, zusammen mit dem Friedhofsamt. Zweitens finden Treffen mit Angehörigen, Hinterbliebenen und Interessierten statt, um das Gedenken wach zu halten an die Toten und weitere Pläne für die Gestaltung des Ehrenfeldes zu entwickeln. Die Veröffentlichung und Würdigung der von uns veröffentlichten Namen der Toten auf dem Ehrenfeld B2 könnte ein nächster dritter Schritt sein.
Wir freuen uns über Besucher am Ehrenfeld B2! Besonders aus der Oststadt!
Die aktuellen Daten der Angehörigen/Hinterbliebenen-treffen können erfragt werden bei Dr. Maria Rave-Schwank (maria.rave@t-online.de).
Das Buch „Gegen die Macht des Vergessens-Gedenkbuch für die Karlsruher Euthanasie-Opfer der Aktion T4-Hrg Maria Rave- Schwank, DGSP-Gruppe Karlsruhe, Stadtarchiv Karlsruhe“,148 Seiten, €10, im Buchhandel.
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